Aktuelles aus der Welt des Arbeitsrechts

September 2024: Kiffen auf dem Weg zur Arbeit?

Kiffen auf dem Weg zur Arbeit?
 
Hat es für einen Kollegen Konsequenzen, wenn er auf eine Phishing-Mail hereingefallen ist? Muss ein Nebenjob genehmigt sein und zu welchen Arbeiten dürfen Auszubildende verdonnert werden? Darum geht es in unserer Serie zum Arbeitsrecht. Bei den Antworten hat uns diesmal Rechtsanwältin Lilian Stolle aus Darmstadt beraten. (…)
 

Info-Brief – Juni 2024

Info-Brief – Juni 2024

Individuelles Arbeitsrecht
Erschütterung des Beweiswertes der AU-Bescheinigung I: Folgeerkrankung und Einheit des Verhinderungsfalls
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 13.6.2023 – 2 Sa 20/23

Die Klägerin war bis zum 16.1.2022 wegen einer Nervenerkrankung arbeitsunfähig erkrankt. Laut einer
ärztlichen Bescheinigung war die Behandlung am 16.1.2022 abgeschlossen. Ab dem 17.1.2022 wurde ihr
eine Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen einer Chemo-Therapie gegen ein Hodgkin-Lymphom bescheinigt.
Sie begehrte Entgeltfortzahlung ab dem 17.1.2022 für weitere 6 Wochen. (…)

Mai 2024: Vorsicht bei der Kommunikation in privaten Chatgruppen mit Arbeitskolleg*innen

Vorsicht bei der Kommunikation in privaten Chatgruppen mit Arbeitskolleg*innen

Das BAG hat mit Urteil vom 24.8.2023 (Az. 2 AZR 17/23) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Betriebsangehörige äußert, sich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann. Er muss dann besonders darlegen, warum er berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Beteiligten an Dritte weiter gegeben. 

Sachverhalt:

Der Kläger war seit 2014 Teil einer Chatgruppe mit fünf anderen Angestellten. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Mitglied in die Gruppe aufgenommen und gehörte dieser in der Zeit von November 2020 bis Januar 2021 an. Laut der vorherigen Instanz waren alle Mitglieder der Gruppe „langjährige Freunde“, wobei zwei von ihnen miteinander verwandt waren. Neben persönlichen Themen äußerte der Kläger, ebenso wie mehrere andere Gruppenmitglieder, beleidigende und abfällige Kommentare über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Teilweise wurden sogar Gewaltaufrufe gegen Vorgesetzte und Kollegen getätigt. Der ehemalige Kollege enthüllte den Chat-Verlauf. Als die Beklagte zufällig davon erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.

Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das Berufungsgericht haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben.

Entscheidung:

Die Revision der Beklagten wurde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolgreich durchgesetzt. Das Berufungsgericht hatte fehlerhaft angenommen, dass der Kläger ein berechtigtes Vertrauen in die Vertraulichkeit der ihm vorgeworfenen Aussagen hatte.

Ein solches Vertrauen in die Vertraulichkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe erwarten können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt und besonders geschützt ist. Dies hängt von den Inhalten der Nachrichten sowie der Größe und Zusammensetzung der Gruppe ab. Wenn die Nachrichten – wie in diesem Fall – beleidigende und herabwürdigende Äußerungen über Mitarbeiter des Unternehmens enthalten, muss besonders dargelegt werden, warum der Arbeitnehmer erwarten durfte, dass diese Informationen von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben werden.

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.        

Allein der Umstand, dass die Äußerungen in einer privaten Chatgruppe gefallen sind, führt nicht dazu, dass keine Verletzung vertraglicher Pflichten vorliegt, da sie auf Vorgesetzte und Kollegen und damit auf betriebliche Umstände bezogen sind. Grundsätzlich können auch ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte in engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphäre haben. Die Bedingung dafür ist, dass die Äußerung Ausdruck besonderen Vertrauens ist und es keine begründete Möglichkeit ihrer Weitergabe besteht.

Art. 2 I GG garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit, Privatsphäre, einschließlich vertraulicher Kommunikation.

Entscheidend für den grundrechtlichen Schutz der Vertrauensbeziehung ist allerdings, dass ein Verhältnis zwischen den an der Kommunikation beteiligten Personen besteht, das dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu nahestehenden Familienangehörigen besteht.

Bei diffamierenden oder ehrverletzenden Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen, die eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen, müssen die Umstände berücksichtigt werden, unter denen sie gefallen sind.  Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen.

Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen durfte, dass seine Kollegen die Äußerungen für sich behalten würden. Eine solche berechtigte Vertraulichkeitserwartung trifft aber nicht ohne Weiteres auf alle Gesprächssituationen unter Arbeitskollegen gleichermaßen zu. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer angesichts der Größe und Zusammensetzung des beteiligten Personenkreises berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben. In einer Konstellation wie der vorliegenden wird eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung daher nur im Ausnahmefall in Betracht kommen.

 

Hinweis für Arbeitnehmer:

Insgesamt zeigt dieses Urteil, dass die Annahme einer berechtigten Vertraulichkeit in Chatgruppen am Arbeitsplatz nicht automatisch gegeben ist, insbesondere wenn die ausgetauschten Nachrichten beleidigend oder abfällig über Arbeitskollegen sind. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Erwartung an Vertraulichkeit von verschiedenen Faktoren abhängt, wie der Größe der Gruppe, ihrer Zusammensetzung und der Art des genutzten Kommunikationsmediums.

Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass Kommunikation in Chatgruppen und insbesondere auf betrieblich bezogene Umstände getätigte Äußerungen in Chatgruppen potenziell nicht vertraulich sind. Sie sollten daher vorsichtig sein, welche Informationen sie teilen und sicherstellen, dass ihre Kommunikation respektvoll und professionell ist.

Info-Brief – November 2023

Info-Brief – November 2023

Arbeitsrecht für Beschäftigte
Achtung: Fehler in der Reisekostenabrechnung sind beliebte Kündigungsgründe
LAG Nds. vom 29.03.2023 – 2 Sa 313/22

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat eine fristlose (!) Kündigung bestätigt, weil ein Beschäftigter
eine Tankkarte auch für seine privaten Fahrzeuge nutzte. Dies wäre ein Verhalten, dass eine außerordent-
liche – fristlose – Kündigung auch bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis rechtfertige.

Unfassbare Härte der Richter:
Der Beschäftigte war über 10 Jahre im Unternehmen und hat die Tankkarte von Anfang an auch für private
Tankvorgänge genutzt. Diese wären durch eine Unternehmensrichtlinie untersagt gewesen, behauptet der
Arbeitgeber. (…)

Info-Brief – September 2023

Info-Brief – September 2023

Arbeitsrecht
Schutz der Ehre der Kolleginnen und Kollegen wieder hergestellt
BAG vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23

Wir hatten in der März-Ausgabe berichtet, dass das LAG Niedersachen eine fristlose Kündigung für un-
wirksam erklärte, obwohl der Betroffene beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Kol-
leginnen und Kollegen in einer Chat-Gruppe verteilt hatte.
Das BAG sah das – erfreulicherweise – anders. (…)

Info-Brief – März 2023

Info-Brief – März 2023

Schutz der Vertraulichkeit geht dem Schutz der Ehre vor

LAG Niedersachsen v. 19.12.2022 – 15 Sa 286/22
Meint das LGA Niedersachsen und hält die Kündigung die wegen der zahlreichen beleidigenden, rassis-
tischen, teilweisen menschenverachtenden und sexistischen Äußerungen und die Aufrufe zur Gewalt für
unwirksam.

Diese Äußerungen hatte der Kläger in einer privaten Chatgruppe von WhatsApp eingestellt. Das Gericht
meint, dass bei einer privaten Chatgruppe bestehend aus 7 Personen, die miteinander befreundet sind, die
Mitglieder in der Regel darauf vertrauen können, dass Dritten der Chatverlauf nicht offengelegt wird. (…)

Info-Brief – Januar 2023

Info-Brief – Januar 2023