Aktuelles aus der Welt des Arbeitsrechts

AUSGABE 3/2024: Newsletter für Betriebsräte

Schulungsanspruch des Betriebsrats – Webinar statt Präsenzschulung? Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 7. Februar 2024 – 7 ABR 8/23

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz haben Betriebsräte Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderliche Schulungen, deren Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat. Davon können Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet …

 

Mai 2024: Vorsicht bei der Kommunikation in privaten Chatgruppen mit Arbeitskolleg*innen

Vorsicht bei der Kommunikation in privaten Chatgruppen mit Arbeitskolleg*innen

Das BAG hat mit Urteil vom 24.8.2023 (Az. 2 AZR 17/23) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Betriebsangehörige äußert, sich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann. Er muss dann besonders darlegen, warum er berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Beteiligten an Dritte weiter gegeben. 

Sachverhalt:

Der Kläger war seit 2014 Teil einer Chatgruppe mit fünf anderen Angestellten. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Mitglied in die Gruppe aufgenommen und gehörte dieser in der Zeit von November 2020 bis Januar 2021 an. Laut der vorherigen Instanz waren alle Mitglieder der Gruppe „langjährige Freunde“, wobei zwei von ihnen miteinander verwandt waren. Neben persönlichen Themen äußerte der Kläger, ebenso wie mehrere andere Gruppenmitglieder, beleidigende und abfällige Kommentare über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Teilweise wurden sogar Gewaltaufrufe gegen Vorgesetzte und Kollegen getätigt. Der ehemalige Kollege enthüllte den Chat-Verlauf. Als die Beklagte zufällig davon erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.

Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das Berufungsgericht haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben.

Entscheidung:

Die Revision der Beklagten wurde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolgreich durchgesetzt. Das Berufungsgericht hatte fehlerhaft angenommen, dass der Kläger ein berechtigtes Vertrauen in die Vertraulichkeit der ihm vorgeworfenen Aussagen hatte.

Ein solches Vertrauen in die Vertraulichkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe erwarten können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt und besonders geschützt ist. Dies hängt von den Inhalten der Nachrichten sowie der Größe und Zusammensetzung der Gruppe ab. Wenn die Nachrichten – wie in diesem Fall – beleidigende und herabwürdigende Äußerungen über Mitarbeiter des Unternehmens enthalten, muss besonders dargelegt werden, warum der Arbeitnehmer erwarten durfte, dass diese Informationen von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben werden.

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.        

Allein der Umstand, dass die Äußerungen in einer privaten Chatgruppe gefallen sind, führt nicht dazu, dass keine Verletzung vertraglicher Pflichten vorliegt, da sie auf Vorgesetzte und Kollegen und damit auf betriebliche Umstände bezogen sind. Grundsätzlich können auch ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte in engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphäre haben. Die Bedingung dafür ist, dass die Äußerung Ausdruck besonderen Vertrauens ist und es keine begründete Möglichkeit ihrer Weitergabe besteht.

Art. 2 I GG garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit, Privatsphäre, einschließlich vertraulicher Kommunikation.

Entscheidend für den grundrechtlichen Schutz der Vertrauensbeziehung ist allerdings, dass ein Verhältnis zwischen den an der Kommunikation beteiligten Personen besteht, das dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu nahestehenden Familienangehörigen besteht.

Bei diffamierenden oder ehrverletzenden Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen, die eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen, müssen die Umstände berücksichtigt werden, unter denen sie gefallen sind.  Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen.

Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen durfte, dass seine Kollegen die Äußerungen für sich behalten würden. Eine solche berechtigte Vertraulichkeitserwartung trifft aber nicht ohne Weiteres auf alle Gesprächssituationen unter Arbeitskollegen gleichermaßen zu. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer angesichts der Größe und Zusammensetzung des beteiligten Personenkreises berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben. In einer Konstellation wie der vorliegenden wird eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung daher nur im Ausnahmefall in Betracht kommen.

 

Hinweis für Arbeitnehmer:

Insgesamt zeigt dieses Urteil, dass die Annahme einer berechtigten Vertraulichkeit in Chatgruppen am Arbeitsplatz nicht automatisch gegeben ist, insbesondere wenn die ausgetauschten Nachrichten beleidigend oder abfällig über Arbeitskollegen sind. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Erwartung an Vertraulichkeit von verschiedenen Faktoren abhängt, wie der Größe der Gruppe, ihrer Zusammensetzung und der Art des genutzten Kommunikationsmediums.

Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass Kommunikation in Chatgruppen und insbesondere auf betrieblich bezogene Umstände getätigte Äußerungen in Chatgruppen potenziell nicht vertraulich sind. Sie sollten daher vorsichtig sein, welche Informationen sie teilen und sicherstellen, dass ihre Kommunikation respektvoll und professionell ist.

AUSGABE 1/2024: Newsletter für Betriebsräte

Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn der Betriebsrat beschlussfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen (Anschluss an BAG 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 – Rn. 14). …

 

AUSGABE 4/2023: Newsletter für Betriebsräte

Ist ein Beschäftigter über lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt, so erlöschen seine Urlaubsansprüche und die Ab-geltungsansprüche nach 15 Monaten. Der Arbeitgeber muss auf den drohenden Verfall der Ansprüche dann aus-nahmsweise nicht hinweisen, wenn der Beschäftigte ohnehin krank war und den Urlaub nicht hätte nehmen können – so das LAG Berlin-Brandenburg. …